Wandern

Ins kalte Wasser geworfen

 

Unser unerwarteter Weg mit Hämophilie

 

Unser erstes Kind war schon knapp 2 Jahre alt, als ich zum zweiten Mal schwanger wurde. 

Das erste Kind war gesund und ich hatte eine angenehme Schwangerschaft. Aus diesem Grund machte ich mir auch wenig Sorgen um die zweite Schwangerschaft und die Gesundheit meines zweiten Kindes. Es war einfach klar, dass alles glatt läuft. Lief es auch. Bis Leander ca. 4 Monate alt war. Es häuften sich dicke Hämatome. Blutunterlaufene dicke Beulen an Körperstellen, wo er noch nicht mal selbst drankam. Auf seinem Kopf zwei dicke Beulen so dick und hoch wie mein Daumen. 

Der Kinderarzt schickte uns mit der Diagnose „Atherom“ zu einem Kinderchirurg, um dies rauszuschneiden. Zum Glück vertröstete er uns mit den Worten „das schneide ich eigentlich erst in einem Alter ab einem Jahr raus“. Danach kam aber schon das nächste. Ein Hämatom an den Rippen so groß wie meine Hand und dick. Ich fuhr sogar vor Schreck in die Klinik. Die Ärzte stellten Fragen in Richtung Misshandlung.  Weiterhelfen konnte uns niemand.

Als Leander einen Fingerpiks bekam, blutete es noch am nächsten Tag weiter. Dies nahmen wir zum Anlass, selbst eine Blutuntersuchung zu machen. 

Nun ging alles sehr schnell. Das Ergebnis zeigte eine Gerinnungsstörung. Verwiesen wurde ich gleich zum Spezialisten. Dieser entnahm nochmal Blut. Diagnostizierte aber schon mal vorab „Dies sieht nur nach einer leichten Blutungsstörung aus.“ 

Am nächsten Tag kam dann der Anruf. Bitte sofort in die Klinik kommen. 9 Uhr Termin. 

Diagnose: Schwere Hämophilie B. 

Und ich fragte mich: Was ist das eigentlich?

Spontanmutation statt Konduktorin

Erklärung: Bei Hämophilie kann die Erkrankung entweder durch Vererbung über eine Konduktorin/Überträgerin weitergegeben oder durch eine Spontanmutation ganz neu ausgelöst werden.

Da standen wir nun. In der Klinik mit der Diagnose. 

Ohne Vorwarnung ging es in die Welt der Hämophilie.

Schwere Hämophilie B das kannte ich nicht. „Bluter“ war mir ein Begriff. Damit verbinde ich eine unschöne Geschichte aus unserem Dorf.

Die Ärzte nahmen sich sehr viel Zeit, um uns aufzuklären und man fühlte sich gut aufgehoben. Dennoch prasselten die Informationen auf mich ein und ich konnte mir nicht sehr viel behalten. 

Eine neue Situation und von heute auf morgen ist dein Leben verändert. Man weiß erst mal nicht, was das alles bedeutet und was es alles mit sich zieht. Man hat tausend Fragen, kann sie aber nicht direkt formulieren. 

Nach und nach kommen Ängste und auch Schuldgefühle. Zuhause möchte auch jeder wissen, was los ist und man ist eigentlich die erste Zeit ahnungslos und überfordert.

 

Vorteil „Spontanmutation“

 

Da ich keine Ahnung hatte, dass mein Kind mit 7 Monaten die Diagnose „Bluter“ bekommen würde, war mein Vorteil in der Unwissenheit während der Schwangerschaft, dass ich entspannt und ohne Sorgen / Ängste gelebt habe. 

Nachteil der „exotischen Art“

 

Die Nachteile darf man nicht außer Acht lassen. Da ich keine Ahnung hatte, was das genau bedeutet und ich mich nie mit der Diagnose befasst hatte, wusste ich auch nicht, was das in unserem Leben bedeutet und was auf uns zukommt. 

 

Was uns im Umgang mit Hämophilie geholfen hat

 

Wir haben einen Kontakt einer Familie bekommen, die ebenfalls ein Kind mit Hämophilie B hat. Ich habe als Mama oft angerufen und meine Fragen gestellt. Das war sehr hilfreich. Man konnte sich austauschen und Sorgen sowie Ängste ansprechen. 

Die Haunersche Kinderklinik bietet zwei Mal im Jahr ein Familienwochenende an. Austausch, Vernetzung und Spritzenkurs. Das war und ist immer noch sehr hilfreich und informativ. Gleichgesinnte kennenlernen und sehen, wie andere Kinder mit der Erkrankung leben und wie die Eltern damit umgehen. Man fühlt sich nicht mehr allein und jeder hat die gleichen Sorgen, Ängste und evtl. Probleme im Alltag. 

Die Erfahrung bringt einiges mit sich und ich möchte dies gerne teilen. Heute weiß ich, wo ich was nachlesen kann und an wen ich mich bei Fragen wenden kann. Das hat nicht nur mit meinem Ehrenamt bei der Interessengemeinschaft Hämophiler (IGH) zu tun, sondern auch weil die Erfahrung mit der Zeit vieles aufklärt. 

Für Neulinge in der Thematik ist meines Erachtens eine Patientenorganisation wie zum Beispiel die IGH (Interessengemeinschaft Hämophiler e.V.)sehr unterstützend. Der Patientenverband vertritt die Interessen der von der Blutungskrankheit betroffenen Menschen. Ebenso bietet die Patientenorganisation DHG (Deutsche Hämophiliegesellschaft e.V.) einige (Online)Kurse, (Online)Veranstaltungen, Treffen etc. an.

Als mein Sohn die Diagnose bekommen hatte, ging es dann an das Spritzenthema. Einmal die Woche kam Thomas Altmann von der AKB medizinische Serviceleistungen GmbH, im Rahmen eines Patientenunterstützungsprogramms, der uns in der schwersten Zeit jede Woche begleitet hat und uns das Spritzen mit großer Geduld und Fürsorge beigebracht hatte. Wir haben hier eine liebevolle, wertvolle Betreuung erhalten. Anfangs konnte ich mir nicht vorstellen, selbst zu spritzen. Nachdem für mich aber ständig in die Notaufnahme zu fahren und das sogar meistens am Wochenende, keine Option mehr war, war die Motivation nun groß, selbst zu spritzen, was ich dann nach ca. 6 Monaten erfolgreich mit der Hilfe des Patientenunterstützungsprogramms geschafft hatte. 

Es ist ein großartiges Gefühl, wenn man selber spritzen kann und sorglos in den Urlaub fährt oder unbeschwert Ausflüge unternimmt. 

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Maria Schomber, Mutter eines hämophilen Sohns